„Es kommen drei Weisen aus dem Morgenland“

Zu Brauchgestaltung und Brauchwandel des Sternsingens

Zu Beginn des Neuen Jahres werden in katholischen Pfarrgemeinden deutscher Diözesen die Sternsinger feierlich ausgesandt. Am 6. Januar oder an den Vorabenden ziehen als die Heiligen Drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar verkleidete Kinder von Haus zu Haus, tragen einen Stern mit sich, singen vor oder in den Häusern Lie­der. Dann wünschen sie Glück zum Neuen Jahr und bringen an der Haustü­re mit geweihter Kreide die Segenszeichen „C+M+B“ (Christus mansionem bene­dicat / Christus segne dieses Haus) an. Für ihr Ansingen erhalten sie Gaben. Die­se Spenden werden heute Projekten in der Dritten Welt zugeführt, während sie früher den Kindern selbst zukamen.

Das Sternsingen vom 16. bis zum frühen 20. Jahrhundert

Johannes von Hildesheim (ca. 1310 bis 1375) schildert in seinem Büchlein „Die Legende von den Heiligen Drei Königen“: „Am Vorabend des Epiphaniastages geht nach Sonnenuntergang ein jeder mit sei­ner brennenden Kerze zum Haus seiner Freunde und Verwandten und spricht beim Eintreten: Ich wünsche euch einen guten Tag! […] alles geschieht zur Erinnerung an den Stern, der mit seinem strahlenden Licht die drei Könige in dreizehn Tagen nach Bethlehem führte.“ Es war nahe liegend, diesen morgenländischen Umgang mit dem Stern im abendlän­dischen Sternsingen seit dem 16. Jahrhundert nachzugestalten.

Die ältesten Zeugnisse zum Sternsingerbrauch kommen aus dem 16. Jahrhundert und stammen vorwiegend aus dem Umkreis von süddeutschen Bischofssitzen und Stiften, wo zunächst Klosterschüler den Umgang mit dem Stern ausübten. Ähnlich anderen Heischegängen der da­maligen Zeit (Martins-, Neujahrs-, Fastnachtssingen) diente auch das Sternsingen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Im 17. und 18. Jahr­hundert ging der Heischebrauch mehr und mehr auf andere Sozialgruppen über: auf Handwerksburschen, Tagelöhner und weniger gut gestellte Kinder, Jugendliche oder Erwachsene.

Das Heischen hatte indes einen Doppelcharakter: Es war zum einen das Privileg von Kindern und jungen Leuten, bei traditionellen Anlässen Gaben einzusammeln. Zum anderen konnte es der Versor­gung von Armen dienen. So zogen meist Kinder aus armen Familien mit ihrem Stern von Haus zu Haus und von Dorf zu Dorf. Die eingesammelten Gaben wie Brot, Mehl, Fleisch und Wurst brachten sie ihren be­dürftigen Verwandten zum gemeinsamen Verzehr mit nach Hause. Und das gehört einerseits durchaus in die christliche Überlieferung; andererseits wurde es zunehmend als Bettelei empfunden, wie Herbert und Elke Schwedt darlegen. Das Stern­singen erfuhr den Geruch der Bettelei.

Schon früh sprach sich die Geistlichkeit beider Konfessionen gegen den Dreikönigsbrauch aus; die evangelische Seite aus grundsätzlicher, bereits von Martin Luther geübter Kritik am Dreikönigsfest, die katholische wegen angeblicher Missbräuche. Im frühen 20. Jahrhundert ist der alte Sternsingerbrauch in den katholischen rheinischen Land­schaften weithin verschwunden.

Goethe und das Verbot des Sternsingens in Thüringen

Ein Bericht aus Thüringen aus dem Jahre 1789 schildert einen zeittypischen Umzug der Stern­singer: „Drei junge Burschen, welche sich auf gemeinschaftliches Verdienst vereinigt haben, sind mit langen weißen Hemden bekleidet, die ein mit Goldpapier überzogener Gürtel zusammenhält; gleichfalls mit Goldpapier überzogene breite Wehrgehänge hangen über den Schultern und tragen entweder hölzerne oder vom Militär geborgte Säbel. Ihrer zwei führen vergoldete Spieße in den Händen, und der dritte trägt den sogenannten Stern. Einer, welcher den Mohrenkönig vorstellt, ist an Händen und im Gesicht geschwärzt, hat einen auf allerlei Art gezierten Turban auf, und über diesem, um die königliche Würde besser zu behaupten, gewöhnlich einen langen steifen Zopf (die beiden andern gleichfalls) und zackigte Kronen von vergoldetem Papier. Der sogenannte Stern besteht aus einer Stange und einem darauf befestigten Brett. […] An der Stange ist ein großer vergoldeter mit Erbsen gefüllter Stern von Pappendeckel befestigt, den der Sternhalter herumdreht, und das Ganze wird durch drei vier Lichterchen erleuchtet.“

Am Dreikönigstag 1781 boten Sternsinger im Palais von Anna Amalia eine Abwandlung eines bei den Umzügen üblichen Dreikönigsliedes. Als Könige verkleidet Johann Wolfgang Goethe und die Schauspielerin Corona Schröter auf. Ein Jahr zuvor war das Sternsingen vom aufgeklärten Landesherrn verboten worden.

Brauchrevitalisierung

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts gab es gelegentliche Versuche, den Brauch zu retten bzw. wiederzubeleben, indem er in Obhut etwa der Schule genommen wurde. Erst später kam es zu einem grundlegenden Wandel. Heute ist das Sternsingen ein zentral organisierter kirchlicher Solidarbrauch; seit 1959 trägt das Kindermissionswerk, ab 1961 gemeinsam mit dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), die Aktion. Das Dreikönigssingen wurde in den Dienst der Mission und der Dritten Welt gestellt.

 

Aus den bescheidenen Anfängen ist die weltweit größte Aktion von Kindern für Kinder gewachsen, das erneuerte, caritative Dreikönigssingen hat eine Brauchrenaissance größten Ausmaßes bewirkt. Inzwischen ist das kirchlich gebundene Dreikönigssingen sogar in deutschen Landschaften verbreitet, in denen das alte Sternsingen überhaupt nicht bekannt oder längst in Vergessenheit geraten war, von einer säkularisierten Gesellschaft angenommen.

Die Kinder bringen mit dem Dreikönigssingen auch Segen in die Häuser, ebenso schwingt der Gedanke mit Jahrhunderte alten Brauch zu pflegen. Das Stern- oder Dreikönigssingen – ein sozialer Brauch im Wandel der Jahrhunderte.

 

Literatur

Alois Döring: Nikolaus, Weihnachtsmann und die Hl. Drei Könige. Brauchwandel an Rhein und Maas seit 1945. In: Volkskultur an Rhein und Maas 20 (2/2002) S. 17-37
Alois Döring: „Es kommen drei Weisen aus dem Morgenland“. Zu Brauchgestaltung und Brauchwandel des Sternsingens in den Rheinlanden – vornehmlich im 19. und frühen 20. Jahrhundert. In Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 2015, S. 61-72
Alois Döring: Rheinische Bräuche durch das Jahr. 2. Auflage Köln 2007.
Dietz-Rüdiger Moser: Bräuche und Feste im christlichen Jahreslauf. Graz, Wien, Köln 1993.
Hans Moser: Zur Geschichte des Sternsingens. In: Ders., Volksbräuche im geschichtlichen Wandel. München 1985, S.  58-73
Herbert und Elke Schwedt: Bräuche zwischen Saar und Sieg. Mainz 1989

Bildnachweis

1 Die heiligen drei Könige. Holzstich um 1889. Nach einer Zeichnung von G. Hahn „Als Könige verkleidete Kinder die sammeln“. Repro: Archiv LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, Bonn.
2 Sternsinger unterwegs. Westum / Ahr 1963. Foto: Archiv LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, Bonn.
3 Sternsingen in Bonn, 1995. Foto: Archiv LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, Bonn.