Über die Tradition von Osterbräuchen

Dr. Alois Döring

Das Osterfest ist das älteste christliche Jahresfest. Mit einem denkwürdigen Namen.

Obwohl es keinen Anhaltspunkt gibt, dass Ostern  ein heidnisches Fest abgelöst hätte, brachte Beda Venerabilis (673-735) Ostern mit einer angeblichen englischen Frühlingsgöttin von einer durch kein Zeugnis belegten „Eosdre“ („Ostara“) in Verbindung. Die deutsche Mythologie des 19. Jahrhunderts fand an „Eosdre / Ostara“ ebenso Gefallen wie die nationalsozialistische Ideologie.

Bis heute hält sich diese Fiktion von der germanischen Göttin, obwohl seit ca. 90 Jahren dies widerlegt wird.  Bereits das 1934 erschienene Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens hält dagegen, dass die Göttin eine Erfindung Bedas sei. Zudem sei erwiesen, dass das angeblich aus dem 9. Jh. stammende „Schlummerlied“, das die Existenz der „Ostara“ beweisen sollte,  eine Fälschung von G. Zappert ist, der es in den 1850er Jahren erdichtet und für echt ausgegeben hat.

Wichtig geworden sind philologische und kulturhistorische Forschungen seit den 1950er Jahren.

So bedeutet „Eosdro/Eosdre“, althochdeutsch „ostarun“:  „Morgenröte“.  Damit wird in Quellen „Pascha“, kirchenlateinisch für das Auferstehungsfest, kombiniert. Der Kirchenlehrer Hippolyt fordert die Gläubigen auf, wach zu bleiben bis zur Morgenröte, um sich auf die Osterliturgie vorzubereiten. Im 12. Jahrhundert  sah Honorius von Autun den Osten, die Himmelsrichtung des Sonnenaufgangs, als Allegorie des Auferstandenen.  „Ostern“ bedeutet also: Auferstehungsfeier zur Morgenröte.

Diese schlüssigen Erklärungen von J. Knobloch und D.-R. Moser entziehen der Existenz einer Frühlingsgöttin jeglichen Boden. Auch der Theologe G. Langenhorst bemerkt jüngst apodiktisch: die angebliche Frühlingsgöttin ist nirgends belegt! Verabschieden wir uns ein für allemal von Ostara.

Zu  den liturgischen Handlungen der Osternacht gehören: Bereitung der Kerze am Feuer mit der Kennzeichnung: Kreuz, Alpha und Omega (Symbol für Christus) und Jahreszahl; Einzug in die Kirche mit dem Ruf „Lumen Christi“ (Christus, das Licht); Taufwassersegnung. Die Täuflinge trugen weiße Kleider bis zum folgenden Sonntag: dem „Weißen Sonntag“.

Geistliche fügten, seit dem Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert üblich, Scherze in ihre Osterpredigt ein, um österliche Freude wirkungsvoll erleben zu lassen. Dieses „Osterlachen“ feiert heute fröhliche Urständ. Denn: Wer lacht, spürt Lebenslust, ist empfänglicher für die Osterbotschaft.

Kunstvoll verziertes ukrainisches Osterei mit Christus-Ikone und Perlendekor

Das österliche Symbol Ei, Sinnbild neuen Lebens, gilt als Zeichen für die Auferstehung Christi. Bedeutungsvoll war der Eieranfall durch das Fastenverbot von Eierspeisen, die erst Ostern nach der Segnung wieder erlaubt waren. Beliebt sind Spiele mit Ostereiern, beispielsweise bei der traditionsreichen Schönecker Eierlage, dem Wettbewerb zwischen Läufer und Eiersammler, oder dem Eierkippen nicht nur der Kinder.

Zu den jüngeren Bräuchen gehört der Brunnenschmuck mit Ostereiern, der beispielsweise erklärt wird als Ausdruck der Lebensnotwendigkeit von Wasser oder als touristische Brauchneuschöpfung. Jedenfalls kein vorchristlicher Fruchtbarkeitskult! Frühe Überlieferungen weisen nach 1900 in der Fränkischen Schweiz auf Osterbrunnen hin. Inzwischen finden sich auch Beispiele im Rheinland.

Nostalgische Bildpostkarte mit Osterhase

Das Verstecken und Suchen von Eiern ist seit dem 17. Jahrhundert bei protestantischen Autoren bezeugt („Haseneier“):  man präge den Kindern ein, der Osterhase lege solche Eier). In evangelischen Familien ist seit dem 18. Jahrhundert das Verstecken  überliefert. Der Hase wurde zum Eierbringer erklärt, um letztlich die Herkunft der „katholischen“, dem Fastengebot wieder anfallenden, am Osterfest gesegneten Eier zu verschleiern. Man kann den Osterhasen als „evangelische Erfindung“ ansehen: ein Produkt evangelischer Literatur und Brauchpflege. Nach 1800 propagierte die bürgerliche Festkultur den Osterhasen, der durch die Süßwarenindustrie rasch weite Verbreitung fand.

Kinder beim „Eier kicken“

Aus dem frühen Mittel­alter werden Segnungen von Käse, Butter, Milch, Honig, Brot, Vögel und Fischen, Schin­ken, Salz und Osterkuchen bezeugt – und von Lammfleisch Für die Lammsegnung liegt die Bezeichnung Jesu durch Johannes der Täufer als das Lamm Gottes nahe. Die Osterfahne des gebackenen Osterlammes soll den Triumph Christi über den Tod ausdrücken.

Griechisch-orthodoxes Osterfest

Höhepunkt der griechisch-orthodoxen Liturgie (Bonn-Beuel, Griechische Metropolie) ist der Auferstehungsgottesdienst aus drei Elementen: Lichtfeier, Wortgottesdienst und Eucharistiefeier. Am Ende des Gottesdienstes werden Eier und Brot an die Gläubigen verteilt. Und damit man sie als gesegnete Eier wahrnimmt, sind sie rot gefärbt. Immer wieder ertönt dabei der Ruf: „Christus ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden.“

In diesem Sinne österlicher Froh- und Friedensbotschaft wünschen wir mit hoffnungsvoller Zuversicht: Frohe Ostern!

 Literatur:

Alois  Döring: Rheinische Bräuche durch das Jahr. Köln 2006, 2. Auflage Köln 2007
Georg Langenhorst: Auferweckt ins Leben. Die Osterbotschft neu entdeckt. Freiburg 2018
Dietz-Rüdiger Moser: Bräuche und Feste durch das ganze Jahr. Gepflogenheiten der Gegenwart in kulturgeschichtlichen Zusammenhängen. Freiburg, Basel, Wien 2002
Helga-Maria Wolf: Das neue Brauchbuch. Alte und junge Rituale für Lebensfreude und Lebenshilfe. Wien 2000