„Zu Ostern ein gebratnes Lämbel“

Vielerorts in katholischen Landschaften ist eine österliche Segnung von Speisen wie Eiern, Brot oder Schinken üblich. 1784 schreibt Joseph Richter in seiner „Bildergallerie katholischer Mißbräuche“ über diesen Osterbrauch, den der Aufklärer ganz Kind seiner Zeit als schädlichen Aberglauben aufspießt: „Wie am Palmsonntag die Oelzweige und Palmbuschen geweiht werden, so pflegt die Kirche am Ostertag Eyer, Lammfleisch, Kalbsschlegeln, und weil sie nun einmal im Korbe liegen, auch Schweineschinken zu weihen. … Es giebt aber dann auch wenige Familien, aus denen an diesem Tag der Herr, die Frau, die Kinder oder die Be­dienten nicht kleine Unverdaulichkeitsaccidenzien bekämen.“

Lammfleischsegnung

Die Tradition der Speisesegnung an Ostern – sie ist auch im neuen römisch-ka­tholischen Benediktionale (Buch der Segnungen) verankert – reicht bis in die christliche Spätantike zurück und hat ihre Wurzeln in der kirchlichen Fastenord­nung. Die alte, strenge Fastendisziplin untersagte während der sechswöchigen Fastenzeit nicht nur den Genuss von Fleischspeisen; sie hieß auch auf Laktizinien wie Milch, Butter, Käse und Eier zu verzichten.  Diese lang entbehrten, „verbote­nen“ Speisen durften an Ostern wieder auf den Tisch kommen. Das gläubige Volk wollte sie aber erst genießen, nachdem sie in der kirchlichen Osterfeier für das häusliche Mahl gesegnet worden waren.

Ein eindrucksvolles Zeugnis der Speisen, die man beispielsweise im 17. Jahrhundert zur Segnung in die Kirche brachte, bietet der Barockprediger Athanasius von Dillingen: „Zur osterlichen Zeit pflegt man zu weyhen Agnum Paschalem und ist dardurch nit nur ein gebratnes Lämbel, son­dern auch ein gebratner Has, ein Kälbernes Brätel, Ayr, Kren, Brot, Fladen etc zu verstehen.“  Auch war es üblich, gebackene Osterlämmer zu segnen, die an die Gläubi­gen verteilt wurden.

Insbesondere galt der kirchliche Segen dem Fleisch, vorzugsweise dem Lamm­fleisch. Für die Segnung von Lämmern und Lammfleisch am Osterfest liegen die bibli­schen Beziehungen nahe: Anknüpfend an das Opferlamm des jüdischen Passahfestes be­zeichnet Johannes der Täufer Jesus als das Lamm Gottes (Agnus Dei), das die Sünden der Welt trägt. Das Agnus Dei – das Gotteslamm mit der Siegesfahne – wird zum Auferstehungssymbol, das bis heute in österlichen Bildgebäcken leben­dig geblieben ist. Zum Backen dieser Osterlämmer aus Rühr- oder Biskuitteig kennt man Gebäck-Model aus Ton, Holz oder Weißblech.

Auf die biblisch begründete Lammsymbolik nahmen auch die überlieferten Se­gensformeln für die Osterspeisen Bezug. Lammbraten galt über viele Jahrhunderte als  d e r  österliche Festtagsbraten.

Lammfleischessen

Für das Rheinland liefert uns der Kölner Ratsherr Hermann von Weinsberg das Zeugnis vom Lammfleischessen im 16. Jahrhundert: Damals war es an Ostern bisweilen üblich, dass der Pfarrer den Kirchmeistern – Kirchenvorstand – zum Oster­fest ein regelrechtes Mahl spendierte, bei dem ein Lamm sowie ein halbes Kalb, Semmeln und „Paschwecken“ gereicht wurden. Zweihundert Jahre später heißt es in der Gottesdienstordnung des Bonner Damenstiftes Dietkirchen (1779): „Nach dem Hochamt am Ostersonntag geht der Pastor mit dem Küster und den Meßjungen in die Abtei und segnet die aufgestellten Speisen und betet die Oratorien über das Osterlamm, die Eier, das Brot usw. Dann nimmt er einige Eier auf den Teller und präsentiert sie der Frau Äbtissin, bei der heute die Herren Geistliche des Stiftes zu Tisch geladen werden.“

Gebackenes Osterlamm

Adam Wrede schreibt über Osterspeisen im frühen 20. Jahrhundert im Rheinland: „Auch ein Osterlämmchen, sei es als Festbraten beim Mittagsmahl oder als Backwerk beim Kaffee, wird freudig begrüßt.“ Dietmar Sauermann zitiert aus dem westfälischen Archiv für Volkskunde (Drewer/Kreis Soest, nach 1900): „In einigen Häusern buk man auch Osterlämmchen in Formen aus Eisenguß, Blech oder Ton.“

Gebackene Osterlämmer werden aus Biskuit- oder Rührteig hergestellt und dann mit Puderzucker bestäubt. Zum Backen der Osterlämmer kennt man zweiteilige Gebäck-Model aus Ton, Holz oder Weißblech.

Man steckt dem Gebäck die Auferstehungs- oder Osterfahne zwischen die Vorderpfoten. Der Brauch der Osterfahne hat seinen Ursprung bereits im 9./10. Jahrhundert. Seit dieser Zeit kennt die Kirche Fahnen für liturgische Zwecke, die den Triumph Christi und der Heiligen symbolisieren. Ursprünglich war die Oster- bzw. Auferstehungsfahne ein rotes Velum (Schal), mit dem das Kreuz an Ostern geschmückt wurde. Daneben entwickelte sich im Laufe der Jahre die heute typische Osterfahne: Eine Fahnenstange mit Querstrebe, an welcher ein Tuch herabhängt. Das gängige Motiv der Osterfahne − Christus der Auferstandene macht mit der  Hand das Siegeszeichen − drückt den Triumph Christi über den Tod aus.

Literaturhinweis:

Alois Döring: Rheinische Bräuche  durch das Jahr. 2. Auflage Köln 2007

 

Abbildungen